Seit einigen Wochen präsentieren uns die Medien täglich wieder neue Zahlen zu den Corona-Todesfällen. Verändert das unser Verhältnis zum Tod? Jedenfalls regt es an, darüber nachzudenken.
«Und Abraham verschied und starb in schönem Alter, alt und lebenssatt, und wurde mit seinen Vorfahren vereint.» So endet die Geschichte von Abraham im Alten Testament (Gen 25,8). Seine Todesursache ist unbekannt, aber über sein Verhältnis zum Tod wird etwas ausgesagt: Er starb «lebenssatt» – was könnte das bedeuten?
Gemeint ist wohl etwas anderes als «lebensmüde». Es ist nicht ein Todeswunsch, wie ihn etwa der Prophet Elija, erschöpft und ausgebrannt von seinem eigenen Eifer, in der Wüste äussert (1Kön 19,4): «Es ist genug, Gott, nimm nun mein Leben, denn ich bin nicht besser als meine Vorfahren.»
Lebenssatt – für mich bedeutet das eher ein stilles und dankbares Einverständnis in die eigene Sterblichkeit. Das Bewusstsein, dass ich gehen muss, um neuem Leben auf der Erde Platz zu machen, wenn es denn Zeit ist.
Lebenssatt – darf man das heute überhaupt noch sein? Lebenssatt sterben – ist das in unserer Gesellschaft, in unserem Gesundheitssystem noch vorgesehen?
Oder sind wir gerade dabei, mit allen Mitteln den Tod zu bekämpfen und merken, dass wir in Gefahr kommen, Leben und Lebendigkeit soweit einzuschränken, dass damit wiederum viel Leid angerichtet wird? Werden die Folgen dieses Kampfes möglicherweise verheerender sein als das, was wir mit den Massnahmen verhindern wollten?
Eine paradoxe Situation. «Der Kampf gegen das Sterben kann auch dem Tod Macht über das Leben geben», schreibt der Theologe Klaus Mertes. «Das Sterben gehört zum Leben dazu. Wenn wir es aus dem Leben vertreiben wollen, nimmt das Leben selbst Schaden.»
Dem Kampf gegen den Tod stellt der christliche Glaube die Osterbotschaft gegenüber. «Tod, wo ist dein Sieg? Tod wo ist dein Stachel?» fragt der Apostel Paulus im Brief an die Gemeinde in Korinth (1Kor 15,55). Es ist eine rhetorische Frage, denn er glaubt fest daran, dass Christus durch seine Auferstehung den Tod besiegt hat: «Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!»
Das bedeutet nicht, dass der Tod aus unserem Leben verschwindet, er ist aber «verschlungen in den Sieg». Nicht in den Sieg der Medizin oder der Weltgesundheitsorganisation, sondern in den Sieg Christi.
Es kann also für uns Menschen nicht darum gehen, mit allen Mitteln selber den Tod besiegen zu wollen. Wenn wir uns das zum Ziel setzen, wird er erst recht seine Stacheln zeigen. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, für das Leben einzustehen, für ein Leben, zu dem auch das Sterben dazugehört.
Darauf mögen wir uns in der kommenden Zeit ausrichten, mit aller Vorsicht und mit der nötigen Geduld. Und im Vertrauen darauf, dass der Tod niemals das letzte Wort über uns Menschen hat.
Der Apostel Paulus schliesst sein Briefkapitel mit der Ermunterung: «Darum, meine geliebten Brüder und Schwestern, seid standhaft, lasst euch nicht erschüttern, tut jederzeit das Werk des Herrn in reichem Masse! Ihr wisst ja: Im Herrn ist eure Arbeit nicht umsonst.»
Gott möge euch alle behüten!
Liebe Grüsse
Brigitte