Zwischen Ostern und Auffahrt

Meditation für Sonntag, den 19. April

Von Pfarrerin Brigitte Schäfer

Die Zeit zwischen Ostern und Auffahrt ist, wenn man vom sogenannten «Kirchenjahr» her denkt, eine besondere Zeit. Jesus ist gestorben und auferstanden, aber noch nicht «in den Himmel aufgefahren». Er ist irgendwie noch auf der Welt, aber anders als vorher. Er taucht plötzlich bei seinen Jüngerinnen und Jüngern auf, redet mit ihnen, ja er kocht sogar für sie und lädt sie zum Essen ein (Joh 21). 

Diese seltsame Zeit dauert 40 (quaranta) Tage, also genau die Zeitspanne, die unser im Moment so oft gebrauchtes Wort Quarantäne eigentlich meint. Wozu braucht es diese Quarantäne nach Ostern und wie nützen sie die Jüngerinnen und Jünger?

Sie müssen ihre Beziehung zu Jesus neu definieren, neu gestalten. Vorher war er ja als Mensch mit ihnen zusammen, als Freund und Lehrer, und hat mit ihnen den Alltag geteilt. Jetzt geht das nicht mehr. «Fass mich nicht an!», sagt er zu Maria Magdalena (Joh 20,17).

In diesen 40 Tagen zwischen Ostern und Auffahrt lernen die Jüngerinnen und Jünger, dass Jesus als Auferstandener auch dann präsent ist, wenn er nicht physisch neben ihnen steht, wenn sie ihn nicht anfassen oder umarmen können. Sie lernen, eine innere Verbindung zu ihm aufzubauen, die nicht von der körperlichen Nähe abhängt. Sie nennen es „Glauben“ oder „Vertrauen“.

Jede und jeder geht dabei den eigenen Weg, den einen fällt er leichter, den anderen schwerer. Zu den letzteren gehört Thomas. Er braucht noch einmal den physischen Kontakt, obwohl das eigentlich nicht mehr möglich ist. Zu ihm sagt Jesus: Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Selig, die nicht mehr sehen und glauben (Joh 20, 29)

Etwas Ähnliches wie die Jüngerinnen und Jünger in diesen 40 Tagen nach dem Tod und der Auferstehung Jesu erleben wir gegenwärtig mit unseren Beziehungen ja auch. Auf physische Nähe zueinander müssen wir weitgehend verzichten. Natürlich kann man auch aus dem Fenster heraus oder über Gartenzäune hinweg miteinander reden. Und die heutige Technik macht es uns relativ leicht, sogar über grössere Distanzen miteinander im Kontakt zu bleiben, per Telefon, WhatsApp oder Mail. Trotzdem vermissen wir das physische Beisammensein, die Berührungen und Umarmungen unserer Lieben, und auch, miteinander Essen und Feiern zu können.

Wir müssen lernen, ohne diese Nähe auszukommen und trotzdem unsere Beziehungen zu leben. Wie können wir uns über Distanz hinweg innerlich miteinander verbunden fühlen, bewusst und intensiv verbunden fühlen?

Die Worte, die Jesus zu Thomas gesagt hat, machen mir Mut, dass es möglich ist, ja dass darin sogar eine besondere «Seligkeit» liegen kann.

Ich glaube daran, dass das Aneinander-Denken und das Füreinander-Beten eine Kraft haben, die man eben nicht sehen, aber sehr wohl spüren kann.

Gott möge euch alle behüten!

Liebe Grüsse

Brigitte

PS: Wer Möglichkeiten sucht, in sicherer Distanz über Medien an Gottesdiensten oder Andachten teilzunehmen, findet Informationen auf der Seite https://www.ref.ch/digitale-kirchen/